Schlucken erscheint uns im Alltag wie ein automatisierter Vorgang, geschieht er doch jeden Tag durchschnittlich mehr als tausend Mal durch unseren Körper. Tatsächlich erfolgt Schlucken teils willentlich, teils automatisiert und teils auch reflektorisch, etwa im Schlaf. Unter bestimmten Umständen kann der Schluckvorgang jedoch gestört sein. Man spricht in diesen Fällen von einer Schluckstörung.
Schluckstörungen (medizinischer Fachbegriff: Dysphagie) können als Symptome einer Vielzahl von Erkrankungen auftreten, weil am Schluckakt eine große Zahl von Strukturen und Organen von der Mundhöhle bis zum Magen beteiligt sind. Dementsprechend arbeiten am Klinikum Bamberg bei der Diagnostik und auch Behandlung ExpertInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen eng zusammen, um eine bestmögliche Therapie für die Patienten anbieten zu können.
Schluckstörungen sollten immer abgeklärt werden, da sie Anzeichen für ernstere Erkrankungen wie etwa bösartige Tumore z.B. der Speiseröhre sein können.
Schluckstörungen können für feste und/oder flüssige Speisen bestehen. Das Schluckproblem kann entweder eher im Bereich der Mundhöhle oder Rachen erlebt werden (Einschluckstörung) oder als ein Gefühl des Hängenbleibens der Speisen im Bereich des Brustkorbs (Speiseröhre). Der gefühlte Ort der Schluckstörung muss jedoch nicht der Ort der tatsächlichen organischen Störung sein. Daher sind für die finale Diagnose häufig FachärztInnen aus unterschiedlichen Disziplinen beteiligt, wie etwa Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Gastroenterologen.
Viele Patienten beschreiben eine Schluckstörung als das Gefühl, dass das Essen oder Trinken im Hals stecken bleiben würde. Die Schluckstörung kann sich Bereich der Mundhöhle und des Rachens zeigen, indem das „Einschlucken“ von Nahrung über den Rachenbereich in die Speiseröhre nicht problemlos erfolgen kann. Es ergibt sich dabei auch die Gefahr des Verschluckens von Nahrung in die Luftröhre. Treten die Probleme eher erst im Bereich der Speiseröhre auf, so kann es dort zu einem Hängenbleiben von Speisen kommen mit der Gefahr des (nächtlichen) Wiederhochkommens von Speisen („Regurgitation“). Im schlimmsten Fall kann es zu einem Verschluss der Speiseröhre kommen („Bolusobstruktion“), was mit starken Schmerzen hinter dem Brustbein und massivem Speichelfluss einhergeht, weil selbst der Speichel nicht mehr geschluckt werden kann.
Begleitend können bei Schluckstörungen Symptome des Verschluckens (Aspiration) auftreten wie Husten, gurgelnde Sprache, Austritt von Flüssigkeiten oder Speisen aus der Nase bis hin zu gehäuft auftretenden Lungenentzündungen durch den Eintritt von Nahrung in die Lungen.
Unbehandelt verschlechtern sich Schluckstörungen häufig und gehen oft mit einem massiven Gewichtsverlust, sodass eine frühzeitige Diagnose und Behandlung empfehlenswert ist, nicht zuletzt auch, um etwaige zugrundeliegende bösartige Erkrankungen rechtzeitig zu erkennen.
Bei der Diagnose von Schluckstörungen sind Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen beteiligt, allen voran Gastroenterologen, HNO-Ärzte und Neurologen.
Bei der schrittweisen Abklärung werden zunächst organische Ursachen durch eine Endoskopie des oberen Verdauungstraktes Speiseröhren- und Magenspiegelung ausgeschlossen. Nach Ausschluss organischer Ursachen kann mit speziellen Tests das Vorliegen von Funktionsstörungen geprüft werden.
Werden die Beschwerden im Bereich der Speiseröhre oder des Magens vermutet, so werden eine Speiseröhrendruckmessung (Ösophagusmanometrie) oder eine Messung des Magenrückflusses in die Speiseröhre (pH-Metrie/Impedanzmessung) durchgeführt.
Wie schon bei der Diagnose von Schluckstörungen erfolgt auch die Behandlung oftmals unter Einbezug von Experten aus den Bereichen Gastroenterologie, HNO, Neurologie, Logopädie, Chirurgie, Zahnmedizin u.a..
Bei der Behandlung wird unterschieden zwischen einer Therapie der konkreten Ursachen der Schluckstörung (kausale Therapie) und einer Therapie der Symptome, die mit einer Schluckstörung einhergehen (symptomatische Therapie). Für eine kausale Therapie muss zunächst der dahinterstehende Auslöser für die Schluckstörung bekannt sein und dessen Behandlung möglich sein, wie etwa die operative Entfernung von Tumoren in der Speiseröhre oder Rachenraum. Bei der symptomatischen Therapie steht die Linderung bestehender Beschwerden im Rahmen der Schluckstörung im Vordergrund. Welche Behandlung zielführend ist, hängt von der Art der Schluckstörung ab.
Einschluckstörungen können etwa mit schlucktherapeutischen Übungen (funktionelle Dysphagietherapie) durch speziell geschulte Therapeuten (z.B. Ärzte, Sprachheilpädagogen, Logopäden) behandelt werden.
Bei tumorbedingten oder entzündlichen Engstellen in der Speiseröhre können endoskopische Eingriffe mittels Laser, Koagulationsverfahren, Bougierung oder Ballondilatation oder Durchtrennung der Muskulatur durch eine endoskopische Operation (POEM) die Speisepassage wiederherstellen.
Eine weitere Möglichkeit ist das endoskopische Einbringen von sog. Stents. Hierbei überbrückt man durch mehr oder weniger starre Röhrchen eine Engstelle in der Speiseröhre.
Bei Funktionsstörungen wie der Achalasie oder Verkrampfung der
Speiseröhrenmuskulatur (dem diffusen Ösophagusspasmus) kann durch eine Injektion von Botulinum-Toxin in die Speiseröhrenmuskulatur im Rahmen einer Magenspiegelung vorübergehend Erleichterung erreicht werden.
Zu einer langanhaltenden und deutlichen Symptombesserung bei Achalasie können eine Ballondehnung, endoskopische (POEM) oder operative Spaltung von Muskelsträngen (Myotomie) im Bereich des Übergangs von Speiseröhre zum Magen führen.
Die Möglichkeiten, Schluckstörungen durch medikamentöse Therapien zu verbessern, sind begrenzt.
Unter einer Magenspiegelung versteht man die endoskopische Untersuchung von Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm. Das Gastroskop ist in der Regel unter ein cm dick und ermöglicht die Entnahme von Gewebeproben. Außerdem kann auch direkt „vor Ort“ behandelt werden, so können etwa Engstellungen durch Dehnung erweitert werden oder überschüssiges Gewebe (z.B. mittels thermischer Anwendung) verödet werden.
Mittels Ösophagusmanometrie kann der Druck in der Speiseröhre gemessen werden. So können Druckschwankungen in der gesamten Speisenröhrenlänge erkannt werden. Der Verlauf des Schluckaktes in der Speiseröhre kann dabei exakt dargestellt werden, einschließlich der Schließmuskeln am Übergang RachenSpeiseröhre und Speiseröhre-Magen. So können Bewegungsstörungen der
Speiseröhre wie die Achalasie (Öffnungsschwäche des unteren Schließmuskels) oder Verkrampfungen der Speiseröhrenmuskulatur (Ösophagusspasmen) diagnostiziert werden. Für die Messung wird nach lokaler Betäubung ein ca. 5 mm dicker, weicher Kunststoffmesskatheter über die Nase eingeführt und verbleibt für die Messung etwa 15-20 Minuten in der Speiseröhre.
Mit Hilfe der ph-Metrie/Impedanz-Messung lässt exakt messen, in welcher Menge Magensaft vom Magen in die Speiseröhre zurückfließt. Außerdem kann differenziert werden, ob aufgrund der Schluckstörung Luft, Flüssigkeit oder Mageninhalt zurückfließen. Die pH-Metrie/Impedanz-Messung kommt häufig bei Schluckstörungen im Rahmen von Refluxerkrankungen zum Einsatz.
Für diese Diagnosemethode schluckt der Patienten einen mit Kontrastmittel versetzten Speisebrei. Anschließend wird im Rahmen einer Röntgenuntersuchung der gesamte Schluckakt von der Mundhöhle über den Rachen und die Speiseröhre bis in den Magen dank des speziellen Speisebreis sichtbar gemacht und aufgezeichnet. Mittels Videodokumentation kann der gesamte Schluckvorgang in Zeitlupe analysiert werden (Schluckcinematografie). So kann genau festgestellt werden, an welcher Stelle im Schluckvorgang die Probleme zu verorten sind.
Unter Umständen können auch noch weitere Techniken für die Diagnostik einer
Schluckstörung zum Einsatz kommen. Etwa eine endoskoptische Ultraschalluntersuchung (Endosonographie), um die Ösophaguswand zu untersuchen.
Wenn der Verdacht besteht, dass auch andere Organe an der Erkrankung beteiligt sind, kann auch auf die Computertomographie zurückgegriffen werden. Auch Untersuchungen des Kiefergelenks und des Zahnstatus durch einen Zahnarzt können unter Umständen notwendig werden.
Besteht der Verdacht, dass die Schluckstörung auf eine systemische Muskel- oder Bindegewebserkrankung oder eine neurologische Erkrankung zurückgeht, dann werden ergänzende Diagnoseverfahren durch Internisten oder Neurologen durchgeführt.
Jedes Jahr stellen sich in Deutschland bis zu 160.000 Patienten mit
Schluckstörungen bei ihrem Arzt vor. Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit an einer Schluckstörung zu leiden. Dies liegt unter anderem an der abnehmenden Muskelkraft in der Mundhöhle und im Rachen sowie vermehrt auftretenden Kontraktionsstörungen in der Speiseröhre.
Schluckstörungen treten bei einer Vielzahl von Erkrankungen in der Mundhöhle, im Rachen und der Speiseröhre auf. Auch Patienten, die unter sogenannten systemischen Erkrankungen leiden, d.h. Erkrankungen, die den gesamten Körper betreffen, leiden häufiger an Schluckstörungen. Auch neurologische Erkrankungen wie etwa ein Schlaganfall oder beim Morbus Parkinson können zu Schluckstörungen führen.
Schluckstörungen können für nur für feste oder nur für flüssige Nahrung oder für beide Formen auftreten. Bestehen die Probleme primär beim Schlucken von Flüssigkeiten, so spricht dies für eine zugrundliegende neurologische Erkrankung, v.a. dann wenn auch Symptome des Verschluckens auftreten.
Treten bereits zu Beginn der Erkrankung Schluckstörungen sowohl für feste als auch für flüssige Nahrung auf, so deutet dies auf eine Bewegungsstörung (Motilitätsstörung) der Speiseröhre bzw. eine Funktionsstörung des unteren Schließmuskels beim Übergang von Speiseröhre in den Magen hin.
Schluckstörungen für primär feste Speisen können Anzeichen für organische Ursachen sein, wie etwa narbige Verengungen oder Krebserkrankungen im Bereich Rachen oder Speiseröhre.
Leider gibt es keine vorbeugenden Maßnahmen, um Schluckstörungen zu verhindern. Eine frühzeitige Diagnose und entsprechende Behandlung kann jedoch eine Verschlechterung des Zustandes verhindern. Schluckstörungen vorbeugen kann man jedoch insofern, dass man Alkohol und Rauchen meidet, die beide das Krebsrisiko an Speiseröhre und Rachen erhöhen, was wiederum häufig zu Schluckstörungen führt.
Bei Patienten mit chronischen Refluxbeschwerden z.B. Sodbrennen sollte ebenfalls frühzeitig eine Magenspiegelung durchgeführt werden, um eine mögliche Krebserkrankung abzuklären.
Um bei Schluckstörungen, die primär Flüssigkeiten betreffen, die Gefahr des Verschluckens zu reduzieren, kann man Flüssigkeiten einzudicken. Dies erleichtert häufig den Schluckvorgang. Betreffen die Schluckstörungen vor allem feste Speisen, dann kann es wiederum helfen, alle Nahrungsmittel sehr klein zu schneiden oder sogar zu passieren. Feste Nahrungsmittel sollten immer nur in sehr kleinen Mengen in den Mund genommen und erst nach gutem Kauen geschluckt werden.